Annas kleine Läuferinnenphilosophie #1

Da ich gerade glücksseelig durch meine Berge laufen kann und ich geistig gefühlt von den Toten wieder auferstanden bin, wird mir mal wieder bewusst, was ich dem Laufen alles zu verdanken habe. Ich würde fast sagen, das Laufen hat mich am meisten und nachhaltig geprägt. Selbst in den letzen 5 Jahren, in denen ich immer wieder versucht hatte, zurückzukommen, aber immer wieder aufgeben musste, war ich im Kopf immer eine „Läuferin“.

Ich will damit nicht das Laufen an sich auf ein Podest stellen, weil Laufen nun mal nicht jedem Spaß macht. Vielmehr ist mir bewusst geworden, wie wichtig es ist, das zu finden, was man liebt und wobei man sich „zu hause“ fühlt. Für mich ist es das Laufen, für andere Schwimmen, Powerlifting, Gewichtheben oder sonst was.

Ich erzähle das auch, weil ich von Frauen, die an ihrem Körper arbeiten, immer wieder „Es ist so schwer“ höre und ich mich frage, warum, denn es zwingt dich ja niemand dazu, wenn schon, dann lässt du dich zwingen und das ist am Ende immer noch eine eigene Entscheidung.

Natürlich sind Prozesse schwer. Natürlich ist das Leben auch schwer, aber wenn es so ein Leid verursacht, so schlimm ist, könnte es vielleicht daran liegen, dass diese Frauen, das was sie glauben zu wollen, gar nicht aus einer intrinsischen Motivation heraus wollen, sondern aus einer extrinsischen. Dass das, was sie da tun, eigentlich gar nicht dem entspricht, was sie sind, was sie lieben, was ihnen Kraft gibt. Sondern vielmehr etwas, was sie glauben tun zu müssen.

Jede Form von Entwicklung und jeder Prozess, unabhängig in welchem Kontext, ist ein Auf und Ab und niemals linear. Egal ob Job, Sport oder jede Art von zwischenmenschlichen Beziehungen. Doch imo gibt es einen entscheidenden Unterschied.

Es gibt die Art von Prozessen, die man durchlaufen will und die, die man durchlaufen muss bzw. nur glaubt, sie durchlaufen zu müssen. Beide haben ihre Auf- und Abs, beide ihre schwere Phasen. Die Täler bleiben einem niemals erspart.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass, wenn man die Prozesse und Wege einschlägt, die man wirklich will, wobei man tief im Inneren eine feste Überzeugung spürt, dass sie der eigene Weg sein sollen, die Tiefs und die schweren Phasen nicht dazu beitragen, dass man schwächer und kaputter wird, sondern vielmehr stärker.

Mein persönliches Beispiel:

Niemand zwingt mich, auf einen Berg zu rennen. Ich tue es, weil ich es will und der „Prozess“ des Laufens mich glücklich macht, auch wenn es anstrengend ist. Der Gipfel interessiert mich mich dabei gar nicht mal so. Das Glücksgefühl entsteht WÄHREND des Laufens, nicht unbedingt wenn ich oben angekommen bin. Auch wenn mich der Lauf Energie kostet, meinen Körper herausfordert, macht es mich physisch und psychisch am Ende stärker. Abends liege ich dann glücklich im Bett, spüre die Müdigkeit meines Körpers, aber habe all die schönen Bilder im Kopf und denke schon an den nächsten Lauf. Mir ist es so oft passiert, dass ich nahezu aus Versehen, mehr gelaufen bin, als geplant, weil ich so im Flow war, die Umgebung erkundet und die Natur um mich herum erkundet habe, dass ich die Zeit und km völlig vergessen habe.

Ich spüre förmlich, wie der Alltagsstress von mir abgefallen ist, mein Kopf klarer wird, ich ruhiger werde, kurzum, wie viel besser es mir durch das Laufen geht. Ich sehe, das mein Ruhepuls sinkt, meine PCOS Symptome abklingen, das Stresswasser aus meinem Körper geht und ich mich besser konzentrieren kann. Ich hinterfrage das Training nicht und es ist absolut klar, dass ich es einfach mache.

💡 EIN PROZESS, DEN MAN LIEBT, GIBT EINEN KRAFT UND ER FÜHLT SICH „RICHTIG“ AN, AUCH WENN ER SCHWER IST!

Das ganze Gegenteil, habe ich die letzten Monate beim Krafttraining gespürt, wo ich ständig belästigt werde, ich in einem stickigen, lauten Gym trainieren muss, mit rücksichtslosen Menschen, gegen die ich meine Geräte verteidigen muss. Vor dem Training stresst mich schon die Vorstellung in die Ugga Ugga Höhle zu müssen, während des Trainings stresst mich die Reizüberflutung und das unsportliche Verhalten und nach dem Training bin ich fertig mit der Welt, voller Stresswasser, habe Kopfschmerzen, bin massiv gereizt und kann trotz Erschöpfung kaum schlafen. Ich spüre, wie dieser Prozess, mir physisch und psychisch Kraft nimmt, statt gibt.

💡 EIN PROZESS, DEN MAN NICHT LIEBT, KOSTET KRAFT UND ER FÜHLT SICH „UNSICHER“ AN, WENN ER SCHWER IST.

Beides sind Trainingsprozesse und Training erfordert nun mal Anstrengung, um besser zu werden. Der Input ist vom Prinzip also ähnlich, der Output jedoch völlig verschieden.

Man kann das auf so ziemlich alles übertragen. Man kann 40h in einem Job arbeiten, den man liebt oder in einem, den man hasst. Auch der Job, den man liebt, ist anstrengend und kann stressen, dennoch erlebt man die Anstrengung anders. Diese Form der Anstrengung zerstört einen nicht, sondern macht einen stärker. Die Form der Anstrengung, die man nicht liebt, wird körperlich und geistig Spuren hinterlassen und allmählich, wie das Wasser den Stein, Körper und Geist, so schleifen, dass die Konsequenzen deutlich sichtbar sein werden.