Gurkiporn #5: Der Last der weiblichen Selbstvergessenheit

So Lustmolchies, auf gehts!

Wie wir nun lang und breit immer wieder diskutiert haben, leben wir Frauen stets mit dem Bewusstsein, dass wir psycho und gestört sind, wenn wir machen was wir wollen, aber dafür total toll, wenn wir machen, was andere wollen.

Für uns ist das ziemlich blöd, aber für den den Rest der Menschheit ziemlich gut. Und da der Rest der Menschheit eben aus Ugga Uggas besteht und die meist am längeren Hebel sitzen (Achtung wieder typisches Anna Wortspiel) ist klar wie der Hase für uns läuft. Nämlich im Kreis.

Na ja, was solls. Irgendjemand muss ja immer der bzw. in dem Fall die Dumme sein und da man uns Frauen das schon früh zur Gewohnheit macht, fällt es uns oft selbst schon gar nicht mehr auf.

Ich merke das ganz arg im Coaching bei meinen Klientinnen. Die Lebensgeschichten, die ich da manchmal zu hören und lesen bekomme, verschlagen mir teilweise die Sprache. Ich glaube fast, dass ich aus der Wut darüber, auch einen Großteil meiner Energie ziehe, denn es macht mich sprachlos, was Frauen selbst in einer doch scheinbar „modernen“, westlich, aufgeklärten Gesellschaft alles mitmachen und allein in sich hineinfressen müssen.

Bei dem, was ich da erfahre wundert mich rein gar nicht, dass diese Frauen irgendeinen Anker suchen, an dem sie sich festhalten können. 

Ich sehe es vielmehr als völlig logische Konsequenz. Sie brauchen etwas, in das sie all die angestaute Wut stecken können, etwas, das ihnen noch ein gutes Gefühl gibt, weil sie es nicht von ihrem Umfeld bekommen.

Etwas, das nur ihnen gehört, über das sie Kontrolle haben, wenn ihnen schon nichts mehr im Leben bleibt, über das sie Kontrolle haben, weil ihnen diese in allen anderen Bereichen genommen wurde.

Und das ist ihr Körper. Wenn man schon nicht als Mensch, der man ist, geliebt werden kann, dann kann man zumindest noch über einen begehrenswerten Körper zumindest Pseudoliebe bekommen. Besser als nichts.

Sie bekommen nämlich von den Menschen, die sie eigentlich lieben sollten oder die, behaupten, dass sie sie lieben eigentlich gar keine Liebe. Doch jeder Mensch braucht Liebe. Jeder braucht eine Aufladestation. Jeder braucht das Gefühl der Geborgenheit und des Fallenlassens, des nichts Müssens, aber dafür des Dürfens.

Doch das bekommen viele Frauen nicht. Sie müssen ganz viel, dürfen aber nichts. Wenn ich neue Klientinnen aufnehme, sehe ich mir ganz genau das Muster ihres Essverhaltens und des Heißhungers an. Was, wann, wie viel und wie bei Heißhunger gegessen wird, gibt mir Rückschlüsse darauf, was in ihrem Gehirn los ist, welcher Mangel besteht.

Abgesehen von den individuellen Unterschieden, gab es bisher immer einen kleinen gemeinsamen Nenner: Ein mangelndes Geborgenheitsgefühl . Jeder einzelne Klientinnen erreichte hier ihren absoluten High Score.

Also suchen sie ewig nach Geborgenheit Liebe. Wenn sie diese schon nicht von ihren Mitmenschen bekommen, dann versuchen sie, sie sich selbst zu geben. Und das, indem sie versuchen den Körper zu bekommen, der gesellschaftlich als erstrbenswert gilt. Nach dem Motto: Wenn ich einmal so aussehe, werde ich mich gut fühlen und bin glücklich. Doch das werden sie nicht, denn dies ist ein Kompensationsmechanismus.

Kompensationsmechanismen „helfen“ nur temporär. Sie sind eine Art schnelle Lösung für Probleme, die man noch nicht besser lösen kann. Dies ist ein wichtiger Punkt, denn ich höre von Frauen, die aufgewacht sind und sich an die Arbeit machen, die Ursachen ihrer Probleme wirklich zu beheben und nicht nur Symptome zu bekämpfen, immer wieder: „Ich war so dumm.“

Nein! Sie waren nicht dumm! Sie wussten es einfach nicht besser. Wir kommen nun mal nicht allwissend auf die Welt. Wir sind keine Buddahs oder Yodas. Es ist ok, völlig normal und evolutionsbiologisch bedingt, eine natürliche Anlage, nach schnellen Lösungen für gravierende Probleme zu suchen.

Wir leben nur leider in einer Gesellschaft oder besser gesagt v.a. in einer Fitnessblase, die Probleme auf etwas rein Körperliches reduziert, auf etwas Greifbares und Sichtbares.

Wenn du dich schlecht fühlst und deinen Frust mit Essen kompensierst, ist das eine schnelle Lösung, die du gelernt hast um deine Emotionen verarbeiten zu können. Es ist ein Schutzmechanismus.

Statt dich dafür zu verurteilen oder selbst dafür, dass du auf Fitnessbarbie reingefallen bist, solltest du dies lieber als Selbstfürsorge interpretieren, i.S.v. „Es ging mir nicht gut, mein Körper und meine Psyche brauchten etwas, das ich ihnen anders NOCH nicht geben konnte. Ich musste es nicht besser, doch nun weiß ich es besser.“

Die Lösung ist nie, dich für“Fehler“ zu verurteilen, sondern zu verstehen, WARUM du diese gemacht hast.

Statt dir zu sagen, dass du dumm warst, frage dich, was dir diese Entscheidungen sagen sollen.

  • Warum brauchtest du den perfekten Körper?
  • Warum brauchtest du Kontrolle?
  • Warum brauchtest du Fitnessbarbie?
  • Warum fühlst du dich schlecht, wenn du Kontrolle abgibst?
  • Warum fühlst du dich schlecht, wenn du faul im Bett rumgammelst, statt zum Training zu gehen, wenn du müde bist?
  • Warum fühlst du dich schlecht, wenn du statt externen Normen zu folgen, das tust, was du willst?

Die Antworten auf diese Fragen, sind dein Kompass für deinen Weg aus deinem selbstgebauten Gefängnis.

Selbstgebaut deswegen, weil wir Menschen ungesunde Muster, die wir früh gelernt haben, auch im erwachsenen Alter weiter fortführen, auch wenn wir es nicht mehr müssten. Das merken wir nur selbst gar nicht, weil sich das gefängnis für uns „richtig“ anfühlt.

Ein kleines Kind, das schreit, weil es sich allein noch nicht zu helfen weiß und noch absolut abhängig von seinen Eltern ist und dessen Bedürfnisse nicht erwidert werden, wird später ein Mensch mit viel Unsicherheit und Selbstzweifel, der sich nicht selbst lieben kann und in Beziehungen gerät, in denen er/sie diese Form der Pseudoliebe wieder erfährt, ganz einfach weil es für sie/ihn die vertraute Form der Liebe ist.

Uns Menschen zieht immer das Vertraute an, egal in welchem Kontext und wir meiden alles Neue und Ungewohnte, einfach weil dies der sicherere Weg ist und weil es unser Gehirn so gelernt hat.

Ungewohntes ist riskant und fühlt sich oft nicht „richtig“ an. Gewohntes dagegen „richtig“ und vertraut. Meist sogar so vertraut, dass wir es bewusst schon gar nicht mehr wahrnemmen.

Und genau das beobachte ich bei Frauen, die in die Fitnesswelt gerutscht sind, weil sie nach dem perfekten Körper gesucht haben: Sie sind es gewohnt, scheiße behandelt zu werden. Sie sind es gewohnt einzustecken, Probleme und Bedürfnisse zu unterdrücken und andere nicht zu belasten.

Sich Liebe selbst zu erschaffen, wenn man sie nicht bekommt, geht aber nicht so einfach, denn wenn man von allen Menschen nur gezeigt bekommt, dass man nichts Wert ist, glaubt man es selbst irgendwann.Diesen Frauen ist oft gar nicht bewusst, dass sie das Recht haben auszubrechen, Nein zu sagen oder dasselbe einzufordern, was man von ihnen verlangt. Viele Beziehungen funktionen oder halten nur, weil ein Partner stets einsteckt und die Bedürfnisse des anderen schützt.

Ich bin mir nicht sicher, aber abgesehen von unserer Erziehung und gesellschaftlichen Prägung, denke ich, dass Frauen auch die Anlage dazu in sich tragen. Wie das Verhältnis Prägung/Anlage genau verteilt ist, weiß ich nicht, aber Fakt ist, dass Frauen empathischer als Männer sind, dass sie die Bedürfnisse ihrer Mitmenschen intensiver spüren.

Diese Anlage ist einfach wichtig für den Mutterinstinkt, denn ein Baby ist auf die feinen Antennen seiner Mutter angewiesen. Eine Mutter muss spüren, was ihr Baby gerade braucht, denn das Baby kann dies anders als über Schreie nicht kommunizieren. Über diese Fähigkeit der zwischenmenschlichen Kommunikation wird sich bei Frauen leider stets lustig gemacht i.S.v. dass Frauen, nicht genau sagen, was sie wollen. Das liegt aber genau an dieser Anlage, die Frauen ermöglicht auch ohne explizite Worte Bedürfnisse anderer Menschen zu verstehen und dann eben selbst so kommunizieren.

Ich denke, dass diese Anlage dazu führt, dass es Frauen schwerer fällt, sich abzugrenzen und dass sie es gewohnt sind, auf die Bedürfnisse ihres Umfeldes zu ihrem Nachteil zu reagieren. Ich sehe das oft bei Müttern, die sich völlig selbst vergessen und vollkommen fremdbestimmt sind.

Frauen treffen Entscheidungen eher zum Schutz ihrer Mitmenschen, nicht nur weil sie die Bedürfnisse der anderen stärker spüren, sondern auch intensivere Schuldgefühle entwickeln, wenn sie dies nicht tun.

Einer Frau fällt es für sie allein schon wahnsinnig schwer sich um sich selbst statt um andere zu sorgen und wenn sie es tut, bekommt sie meist noch mehr Vorwürfe, weil sich das für Frauen nicht gehört. Männer können das oft nicht so wahrnehmen oder verstehen, weil sie oft dieses Maß an Empathie nicht in sich tragen und gesellschaftlich auch das Recht mitbekommen, sich gegenüber anderen durchzusetzen, da dies als positiv, stark und männliches Attribut gewertet wird. Wir Frauen bekommen das dann oft als gekränktes Ugga Ugga Ego zu spüren.

Sich um sich selbst und andere sorgen ist aber kein Widerspruch. Sondern die Sorge um um andere beginnt immer mit der Selbstfürsorge. Wie soll denn eine Mutter, die nicht den raum bekommt, sich selbst zu achten und immer nur runter gemacht wird, ihren Kindern beibringen, sich selbst zu achten?

Bis morgen Lustmolchies!

Foto by David Cohen