Die Barbie in dir

Da ich gestern erst mit einigen Followerinnen über das Thema Produktplatzierungen diskutiert habe, wollte ich an der Stelle etwas Generelles zu dem ganzen Fitnessbarbie-, Rabattcode-, Werbedingsbums loswerden.

Werbung ist überall und gelangt in dein Gehirn und beeinflusst dich, ob du willst oder nicht. Auch wenn du sehr schlau bist oder Fitnessbarbies lediglich folgst, um dich über sie aufzuregen oder lustig zu machen. Egal aus welchem Grund, du tust Fitnessbarbie einen sehr großen Gefallen.

Warum?

Du machst dich zu einer potenziellen Käuferin

Alle Sinneseindrücke, die du täglich sammelst, machen etwas in deinem Unterbewusstsein. Ob du willst oder nicht.

Selbst, wenn du der Meinung bist, dass das an dir abprallt. Forget it.

Werbung funktioniert am besten über Emotionen, insbesondere negative:

  • alles, was deine Ängste, Unsicherheiten und negativen Erfahrungen triggert.
  • Alles, was dich besonders bewegt, aufregt, reizt oder wütend macht.
  • Alles, was dich überrascht, unerwartet kommt oder besonders lustig ist.

Der letzte Fall ist eher selten in der Fitnessszene, denn hier ist alles bitter ernst.

Foto by  Thought Catalog
Foto by Thought Catalog

Warum ist das so?

Wie immer, sind unsere primitiven Vorfahren, Evolution, Natur und so daran schuld.

Das mit der Menschheitsgeschichte wäre nicht gut ausgegangen, wenn sich unsere Vorfahren nicht gemerkt hätten, welches Grünzeug giftig ist oder wo der Säbelzahntiger gern spazieren geht. So etwas konnte schnell tödlich enden.

Die Angst und Fähigkeit aus Fehlern zu lernen, war überlebensnotwendig. Wer nicht wachsam war, wenn es im Gebüsch raschelte oder wer immer wieder ins Feuer gefasst hat, um zu gucken, ob es auch warm genug war, war bald raus aus dem genetischen Roulette.

Deswegen haben alle Angsthasen überlebt, sodass wir nun leicht zum Marketingopfer werden, weil wir die Angsthasen-Gene noch in uns haben. Genauer gesagt sitzen die im Gehirn.

Ok, aber wenn Fitnessbarbie ein Proteinpulver in die Kamera hält, ist das ja schön und nicht beängstigend. Fitnessbarbie ist ja kein Säbelzahntiger und das Beauty- oder Abnehmpulver nicht giftig. Wo ist da der Zusammenhang?

An dem Beispiel sollte dir selbst bewusst werden, wie mächtig und verrückt dein Unterbewusstsein ist.

Jeder von uns hat in seiner Vergangenheit mal eine verletzende Form der Ablehnung, Demütigung, enttäuschten Erwartung o.ä. erlebt, die sich in deinem Gehirn als “Ich bin nicht gut genug” eingebrannt hat. Das müssen nicht mal schlimme Traumata gewesen sein. Das können auch einfache Ereignisse in der Schule oder sonst wo gewesen sein, wo dir jemand gesagt hat, dass du doof bist oder deine Nase zu schief ist oder das Gefühl, dass du nie zu Geburtstagen eingeladen wurdest. Dein Gehirn macht daraus: “So, wie ich bin, bin ich nicht gut genug.”
Es kann auch einfach sein, dass du als kleines Mädchen immer besondere Aufmerksamkeit und Liebe deiner Eltern bekommen hast, wenn du besonders hübsch aussahst oder besonders gut in der Schule warst. Dein Gehirn macht daraus: hübsch + Topleistung = Aufmerksamkeit + Liebe.

In der Kindheit und Pubertät lernen wir die gesellschaftlichen Spielregeln und versuchen uns unseren Rang möglichst weit oben in der sexuellen Begehrtheitsskala zu erkämpfen. Das ist ein evolutionsbiologisch sinnvoller Prozess, egal wie bescheuert es einem vorkommen mag.

Wir machen das alle und ständig mehr oder weniger über unser Äußeres. Kleinen Mädchen wird schon früh beigebracht, dass ihr Aussehen verdammt wichtig ist. Wenn man besonders hübsch aussah, gab es immer Lob. Die Prinzessinnen mit den langen Haaren und dem rosa Pulli waren immer beliebt. Die Räubertöchter, die im Dreck gespielt haben eher nicht.

Dieses Denkmuster sitzt immer noch tief im Unterbewusstsein und macht dich empfänglich für alles, was deine sexuelle Begehrtheit steigern könnte um deinen primitiven Fortpflanzungstrieb gerecht zu werden.

Somit koppelt dein Unterbewusstsein deinen Wert mit deinem Aussehen. Aber das Ganze ist noch verzwickter, denn Informationsverarbeitung findet immer kontextabhängig statt. Das heißt, dass Informationen, die in dein Gehirn gelangen, im Kontext deiner Erinnerungen und Erfahrungen interpretiert werden.

Damit spazierst du dann durchs Leben und bist für alles empfänglich, was mit deinem Aussehen zu tun hat. Dann braucht nur irgendeine Fitnessbarbie, die so aussieht wie du gern aussehen würdest, ein “schnell schlank und schön”-Pulver in die Kamera halten – und schon hat sie zumindest deine Aufmerksamkeit sicher. Dein Unterbewusstsein koppelt die Attraktivität der Fitnessbarbie mit dem Produkt ohne, dass du dir dessen bewusst wirst.

Aus diesem Grund folgen viele Frauen selbst Profilen, die sie eigentlich unsympathisch finden. Doch was da passiert, triggert das, was in ihrem Unterbewusstsein abgespeichert ist.

Man sieht das sehr schön daran, dass viele Frauen Profilen folgen, mit denen sie sich identifizieren können. Wenn bspw. eine Fitnessbarbie eine besondere Abnehmhistorie vorweisen kann, wird sie die Frauen anziehen, die schon lange versuchen, abzunehmen. Wenn sich eine Fitnessbarbie von einer Essstörung befreit hat, zieht sie Frauen an, die ebenfalls versuchen, die Essstörung zu bekämpfen. Es werden also immer die wunden Punkte getriggert, die die Follower empfänglich für die Message machen.

Big Brother is watching you: Der Instagramalgorithmus

Foto by Bekah Russom
Foto by Bekah Russom

Selbst wenn du das “schnell schlank und schön”-Pulver nicht kaufst, hast du die Karriere der Fitnessbarbie weiter gefördert, denn die Algorithmen der Social-Media-Kanäle interessiert nicht, wer aus welchem Grund einem Profil folgt oder ob die Kommentare positiv oder negativ sind, sondern was am meisten Aufregung bewirkt.

Es ist egal, ob sich jemand in den Kommentaren der Fitnessbarbie mit “Alles nur Geldmacherei”  oder “Du bist so schön” zu Wort meldet. Das Ergebnis ist das Gleiche: Mehr Aktivität unter dem Post > mehr Reichweite > mehr potenzielle Käufer. Selbst wenn du das Pulver nicht kaufst, wird es vielleicht eine andere Frau, der dieser Werbepost nun angezeigt wird, weil der Insta-Algorithmus die Reichweite des Posts erhöht hat.

Was dir auf Insta angezeigt wird, spiegelt ganz einfach dein Nutzerverhalten wieder, also das Muster, das eine Maschine an deinem Verhalten erkennt. Der Algorithmus lernt, was dich interessiert, und zeigt dir genau das auch an. Wenn du also Profilen folgst, die du eigentlich doof findest, werden dir weitere doofe Profile angezeigt, weil die Maschine nicht weiß, dass du sie eigentlich doof findest. Sie weiß nur, dass du sie dir ansiehst.



Wie steht ZHENA dazu?

Ich habe meine Abschlussarbeit ausgerechnet zu einem sehr verwandten Thema geschrieben. Zudem habe ich in einem Fitness-Unternehmen gearbeitet, das Profi in diesem Business ist, sodass ich weiß, dass ich diese Form des Marketings auf keinen Fall will.

Man muss für sowas gemacht sein und es muss der Unternehmenskultur- und dem eigenen Wertesystem entsprechen. Das tut es in meinem bzw. ZHENAs Fall nicht.

Ich weiß, was ich tun müsste, um die Algorithmen zu knacken. Doch das will ich nicht, denn es entspricht nicht meinen Werten und einer Arbeit, an der ich lange Spaß hätte. Wenn ich mich entschieden habe, ein Unternehmen zu gründen, ist das eine Lebensaufgabe. Wie man sein eigenes Unternehmen aufbaut, will gut überlegt sein, denn man hat das eine ganze Weile an der Backe und ist 24/7 damit beschäftigt. Seine Wohnung richtet man sich schließlich auch so ein, dass man sich darin wohl fühlt, weil man sonst nicht gern nach Hause kommt.

An dem Aufbau dieses Unternehmens sitzt unser ZEHNA-Team jeden Tag. Ute, Antonia und Anja haben Vollzeitjobs und springen nach der Arbeit an den Rechner, um weiter mit anzupacken. Ich versuche, nicht durchzudrehen, mein Gehirn zu nutzen und den Berg an Arbeit abzuarbeiten.

Man zahlt in dieser Branche einen hohen Preis, wenn man versucht, ohne Produktplatzierungen, Sponsorings oder booty- oder boobpics zu arbeiten.

Aber wir sind uns sicher, dass sich die Arbeit langfristig auszahlen wird. Wenn ZHENA unsere Zukunft sein soll, müssen wir uns damit 100%ig wohlfühlen, anders ist so etwas auf Dauer zum Scheitern verurteilt.

Meine Zeit in einem kommerziellen Fitnessunternehmen, das quasi der Vorreiter dieser Art des Marketings war, war für mich die unerträglichste Zeit meines Lebens und hat mich regelrecht krank gemacht. Und das will was heißen. Ich habe daraus gelernt, dass ich mich nicht verbiegen kann und dass ich nicht gut darin bin, mir etwas sagen zu lassen oder Dinge zu tun, die ich verachte.

Deswegen wird ZHENA den steinigen Weg gehen. Doch dafür ist unser Team auch gemacht, denn wir sind quasi Profis im Steine beiseite räumen, für irgendwas müssen die Muckis ja gut sein. Fitnessbarbies liften eh nicht schwer, so bleibt ihnen auch nichts anderes übrig als den leichten Weg zu wählen, auf dem sie keine schweren Steine beiseite räumen müssen.

Photo by Anna Stefanova
Photo by Anna Stefanova