Ein Jahr ZHENA – Anders als gedacht, doch viel besser als erwartet. Was ich gelernt habe.

Was für ein Jahr!
Ich habe in keinem Jahr so viel über Menschen, das Leben und über mich gelernt, wie in diesem und nichts davon habe ich kommen sehen.

Im Grunde lief alles anders als geplant und dennoch besser als erwartet.

Coaching

Foto by Clark Tibbs

Wer meine Arbeit dieses Jahr verfolgt hat, wird über das, was ich nun schreibe vermutlich, erstaunt sein:

Als ZHENA am 3.1.2019 startete, habe ich so gut wie nichts über hormonelle Probleme wie PCOS, hypothalamischer Amenorrhoe und deren Zusammenhänge mit bspw. Psyche, Stoffwechsel und Essverhalten gewusst.

Geschweige denn, habe ich gewusst, wie man emotionales Essen, Binge eating und den ganzen Rattenschwanz, der damit verbunden ist, heilt.

Wenn mich heute, ein Jahr später, Kollegen fragen, wie ich das mache, kann ich nur sagen: “Ich wüsste nicht, wo ich anfangen soll zu erklären. Das einzige, was ich sagen kann, dass kein Fall dem anderen gleicht und dass es keine Standardlösung für alle gibt.”

Allein der Glaube daran, dass man einzelne Symptomatiken nach dem immer gleichen Schema abarbeiten könnte, ist ein Problem an sich. Erst dieser Irrglaube führt dazu, dass weder unser Medizinsystem noch die Fitnesswelt versteht, was sie tut und viele Frauen über Jahre keine Hilfe finden.

Denn der Schlüssel zum Erfolg meines Coachings, liegt in etwas, dass durch meine Biografie bedingt ist und das ich nur schwer in Worte fassen kann und dass ich niemanden einfach so beibringen kann.

Das ist mir im vergangenen Jahr erst so richtig bewusst geworden. Aber auch, dass ich noch nicht weiß, ob es Fluch oder Segen ist.

Denn, wenn man vielen Menschen helfen kann, hat das vielfache Konsequenzen, an die man auf Anhieb vielleicht nicht denkt.

Frauencoaching unterscheidet sich auch grundlegend von Männercoaching.

Männern gibt man ihre Anweisungen/Pläne und hört dann erst beim nächsten Update von ihnen. Männer suchen i.d.R. selbstständig nach Lösungen ihrer Probleme und reden weniger über ihr Innenleben oder ihre Probleme. Daher beschränken sich die Themen dann i.d.R. auch auf Training und Ernährung.

Bei Frauen läuft das anders. Wenn ein Problem auftritt, geraten sie erstmal in Panik, sind verunsichert, bekommen Angst, müssen das irgendwie nach Außen mitteilen und müssen wieder beruhigt und fokussiert werden, um lösungsorientiert handeln zu können.

Der Umgang mit Problemen spiegelt sich bei Frauen einfach sehr stark in ihrem Essverhalten wieder, sodass ich als Coach, diese Themen nicht einfach ignorieren kann.

Dann geht es im Coaching eben plötzlich um Beziehungsprobleme, Haustiere, Familie, Job, Freundinnen und sonst was. Dann kommen auch mal wie aus dem Nichts, heftige Trauma Geschichten, über die sie mit noch niemanden gesprochen haben oder emotionale Monologe, die regelrecht aus ihnen herausplatzen.

Im Frauencoaching ist die Wahrscheinlichkeit, dass das passiert, sehr hoch, weil sich niemand einen Coach sucht, der/die seine/ihre Probleme selbst lösen kann bzw. der/die kein Problem, mit der Ernährung hat.

Emotionales essen oder die besessene Arbeit an der eigenen Optik, sind eben oft Kompensationsmechanismen. Daher bin ich als Coach im Fitnessbereich, oft mit diesem Verhaltensmustern konfrontiert.

Der geschlechtsspezifische Unterschied, den ich hier beschreibe, ist in keinster Weise wertend gemeint, sondern einfach eine Beobachtung, die für beide Seiten jeweils Vor- und Nachteile mit sich bringen.

Denn wir wissen, dass es gesundheitliche Konsequenzen hat, dass Männer viele Probleme in sich hineinfressen und das Kommunikationsbedürfnis von Frauen, hier vielleicht ganz nützlich ist.

Ich erkläre dies einfach, um die Besonderheit des Frauencoachings bewusst zu machen.

Die Kommunikation mit einer Klientin irgendwie zeitlich zu determinieren, hat hier also immer Konsequenzen für die Qualität des Coachings. Je mehr eine Klientin mit mir über ihr Innenleben redet, desto effektiver wird das Coaching. Nur ist das für mich unternehmerisch nur begrenzt umsetzbar.

Dies ist auch der Grund, warum die bisherigen standardisierten Fitnessprogramme auf Dauer nichts bringen. Diese betäuben für ein paar Wochen lediglich ein Symptom, dass dann umso stärker wieder hervortritt.

Training und Ernährung werden im Coachingverlauf nebensächlich, da beides lediglich das körperliche und geistige Wohlbefinden der Frau widerspiegelt. Wenn ich also Training und Ernährung bei Frauen coache, coache ich in Wirklichkeit ihr Leben.

Und diese Zusammenhänge werden bei mir oft missverstanden.

Es war nie mein Wunsch, essgestörtes Verhalten kurieren zu müssen. Im Gegenteil, ich würde gern darauf verzichten.

Nur leider produziert die Fitnessblase dank ihres Marketings dies am laufenden Band.

Wie bereits gesagt, sucht sich niemand einen Coach, der/die kein Problem hat oder keine Hilfe braucht.

Zu mir sind “normale” Frauen gekommen, die seit Jahren versuchen abzunehmen und mit all der Science und den Weisheiten, der Fitnessblase bestens vertraut sind. Denen muss ich nicht mehr erklären, wie sie Kalorien zählen oder wie man Makros justiert. Das haben sie bereits jahrelang ausgiebig geübt. So sehr, dass sie schon nicht mehr normal essen können.

Jede Form der Kontrolle wird hier zu einem Trigger. Mit Frauen, die mit Binge Eating zu kämpfen haben oder Fitness betreiben, weil sie Angst vor dem Zunehmen haben und ein geringes Selbstwertgefühl haben, wäre alles, was eine quantitative Kontrolle impliziert geradezu fahrlässig, denn Essen hat hier eine hochemotionale Bedeutung. Kalorien zählen, Wiegen, Maß nehmen sind hier tabu.

Die beste Voraussetzung für ein Online Coach.

Wer nur genau hinsieht, wird diese Symptome überall in der Fitnesswelt sehen, auch bei den Leuten, die als “Vorbilder” herhalten oder schlaue Dinge erzählen, wie man “fit” wird. Da wird offen über Binge- eating gesprochen, während man Werbung für Pulver & Co macht und keiner sagt was. Alle sehen zu und tun nichts, weil es schon so normal ist, dass keiner mehr merkt, wie realitätsfern diese Blase inzwischen ist.

Doch das ist Tabuthema.

Als Coach in der Branche ist es nun eine Gewissensfrage, wie man in seinem Job damit umgeht.

Hier hat man zwei Optionen:

1. Um die Nachfrage schnell zu steigern und entsprechend zu verdienen, müsste man die Klientinnen durch eine harte Diät peitschen, Vorher-Nachher-Fotos veröffentlichen und anschließend Stillschweigen über das bewahren, was mit der Klientin nach Erreichen der Topform passiert.

2. Wenn man nachhaltige Ergebnisse erzielen will, muss man einen Weg finden, die Klientin dazu zu bringen, intrinsisch motiviert, die jeweils gesündesten Entscheidungen in jedem Lebensbereich zu treffen, sodass sie selbstständig über das Coaching hinaus, all die Faktoren, die ihre Gesundheit beeinflussen, derart justiert, dass der Körper von “allein folgt”. 
Meine Erfahrung hat mir immer wieder gezeigt, dass sich das Essverhalten einer Frau wie von selbst optimiert, wenn es ihr psychisch gut geht. Wenn sie dann noch ein Training findet, dass sie langfristig in ihren Alltag einbauen kann, kommt die Rekomposition von allein.

Dies gilt natürlich für die Frau im Alltag. Athletinnen sind eine andere Kategorie.

Der Nachteil der nachhaltigen Variante ist einfach, dass sie verdammt anstrengend ist und sich erst spät auszahlt.

Essverhalten unterliegt vielen Faktoren, die eine klassische Diät eben oft nicht erfasst:

Psychosoziale Faktoren:

Ernährungsvorlieben und -gewohnheiten, Coping Skills, psychische Gesundheit, soziales Umfeld, familiäre Vorgeschichte, Beziehung/Ehe etc.

Biologische Faktoren:

Hunger- und Sättigungsregulation, Genetik, Nervensystem etc.

Soziale- und Umweltfaktoren:

Verfügbarkeit der Lebensmittel, Schönheitsideal, Bewegungsmöglichkeiten und -gewohnheiten etc.

Und dies sind nur ein paar Beispiele.

Die Körperform spiegelt lediglich die Gewohnheiten eines Menschen wieder. Entscheidend ist nicht, was jemand einmal tut, sondern, was er/sie immer wieder tut.

Wenn ich als Coach also ein langfristiges Ergebnis über das Coaching hinaus erzielen möchte, muss ich mir ansehen, was im Leben eines Menschen dazu führt, dass er/sie die Gewohnheiten entwickelt hat, die zu einer Gewichtszunahme geführt haben.

Tja und wenn man das macht, geht es eben um weit mehr als Markos berechnen und Trainingspläne schreiben.

Wenn man sich für diesen nachhaltigen Weg entscheidet, geht es eben ganz plötzlich nicht mehr um Training und Ernährung, sondern um all die Gründe, die dazu führen können, dass jemand viel Bestätigung von außen über/für seinen/ihren Körper braucht.

Dies ist der Grund, warum die Themen, über die ich schreibe selten mit Essen und Training zu tun haben.

Und das war das Verrückte in diesem Jahr.

Ich habe so viele Zuschriften bekommen, dass Frauen ihre Regel wieder bekommen haben, wieder ein Sättigungsgefühl spüren, sich vom Kalorienzählen lösen konnten, sich an Lebensmittel trauen, die sie zuvor gemieden hatten.

Und das alles, ohne Zahlen, Regeln oder sonstige “Das ist richtig und das ist falsch” Anweisungen.

Einfach nur durch Psychologie und Achtsamkeit durch Texte.

Emotionen

Foto by Rhendi Rukmana

Ich habe im letzten Jahr erst so richtig verstanden, wie verdammt wichtig Emotionen sind oder besser gesagt, habe ich verstanden, wie gefährlich es ist, wenn man sie nicht versteht.

Das Dogma, dass es sich hierbei um irgendein psycho-eso-Dingsbums handelt, von dem sich nur sensible Menschen, die sich nicht im Griff haben, in die Irre führen lassen und rationale Menschen, die sich im Griff haben nicht, könnte falscher nicht sein.

Vielmehr ist das Gegenteil der Fall.

Emotionen sind von Gefühlen zu differenzieren und genauso ernst zu nehmen, wie alles rein Körperliche.

Emotionen sind nicht einfach weg, wenn man sie ignoriert, sondern warten solange bis sie anerkannt und gefühlt werden dürfen. Auch wenn das Jahre dauert. In der Zwischenzeit fressen sie sich eben solange durch den Körper, bis man sie nicht mehr ignorieren kann.

Das wird völlig unterschätzt.

Der Körper ist oft nur eine Projektionsfläche, dessen, was lange bewusst oder unbewusst verdrängt wurde. 

Nur weil man etwas nicht sieht, heißt es nicht, dass es nicht existiert.

Wenn man über Jahre Emotionen einfach verdrängt, ist das so, als würde man über Jahre, mit einer offenen Wunde durchs Leben laufen, die sich immer mehr entzündet. Man beginnt allmählich zu humpeln, was zwar unangenehm ist, aber auch daran gewöhnt man sich und kommt dennoch voran.


Doch entwickelt sich durch die dauerhaft schmerzvermeidende Haltung eine Dysbalance, durch die man nun zusätzlich Verletzungen und Schmerzen an anderen Stellen bekommt. Schließlich ist man überall so voller Schmerz, dass nichts mehr geht und man seinen normalen Alltag nicht mehr aufrecht erhalten kann.

Erst dann geht man zum Arzt oder im Falle unterdrückter Emotionen, zur Therapie.

Aus einer kleinen Entzündung, die man ignoriert hat, ist ein riesen Problem geworden, das den ganzen Körper und schließlich das Leben lahmgelegt hat.


So läuft das analog eben auch mit unterdrückten Emotionen.

“Ein Indianer kennt keinen Schmerz” ist wohl die gefährlichste Weisheit, die sich Menschen ausgedacht haben. Wer physischen oder psychischen Schmerz ignoriert, wird sich diesem bald in geballter Ladung ausgesetzt sehen.

Unterdrückte Emotionen äußern sich in psychosomatischen Kompensationsmechanismen:

Zu sehen sind sie dann anhand vielerlei Symptome: Essstörungen, Zwangsverhalten, Suchtverhalten, gestörte Sexualfunktion u.ä.

Menschen kommen schließlich nicht essgestört oder krank auf die Welt. Genetik spielt zwar auch hier eine Rolle, jedoch nicht die einzige.  

Solche Themen werden weder in der Fitnesswelt noch in unserem gegenwärtigen Medizinsystem erfasst und das ist ein echtes Problem, wie ich dieses Jahr verstanden habe, denn die Anzahl der Fälle, die selbst mir als kleiner Fitnesscoach begegnet sind, war verdammt hoch. Bei fast jeder Klientin, war das Thema relevant. Als ich dann noch begann, öffentlich darüber zu schreiben, wurde ich von Nachrichten in dem Zusammenhang quasi “überrannt”.

Viele Fitnessmenschen und Ärzte stehen diesen ganzen psychosomatischen Symptomen ratlos gegenüber und tun dann einfach so, als existierten diese nicht. Genau das führt dann jedoch zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung.

Wenn ein Coach oder Arzt mit dieser Einstellung auftritt, führt das auch schnell zu einer Selection Bias und schließlich zu einer Confirmation Bias.

Wenn mir ein Coach oder Arzt sehr unterkühlt, distanziert und unsensibel erscheint, würde ich diesem gegenüber ebenfalls so auftreten, weil er/sie mir deutlich signalisiert, dass er/sie nicht für emotionale Themen zugänglich ist. Dieser Coach/Arzt kann so selbst nie wissen, was er nicht weiß, weil er durch seine Art die Informationen, des Gegenübers bereits vorfiltert.

Wer glaubt, dass man emotionale Themen einfach von allem rein Körperlichen trennen kann, täuscht sich. Die Folgen, dieses Frohlügens, sehen wir in der gesamten Branche.

Denn gerade die Fitnessbranche selektiert diese Persönlichkeitsmuster aufgrund ihrer Optikorientierung.

Was bringt denn einen Menschen dazu, selbst auf Kosten seiner/ihrer Gesundheit zu hungern und sich kaputt zu trainieren, um Bestätigung zu erhalten?

Mit Sport und Fitness hat das nichts mehr zu tun.

Nun ja und deswegen bin ich nun nach einem Jahr wohl eher eine Therapeutin, Ärztin und Mama für alles.

Ich habe mir diese komplizierten Fälle nicht ausgesucht, sondern ich habe den Menschen einfach genau zugehört und mir ihr Leben angesehen.

Wenn man das macht, hat man zwar viel Stress, kann aber kleine Wunder bewirken.

Schmerz

Foto by Aaron Blanco

Etwas, das ich dieses Jahr definitiv gelernt habe, ist, dass das Erkennen der Baustellen im Leben eines Menschen, der einfachste Teil ist.

Ob ein Mensch seine eigenen Baustellen dann auch selbst erkennen will und kann, ist dann nochmals etwas anderes. Das ist der schwierigste Teil.

Und das war beruflich als auch privat, die bitterste Lektion in diesem Jahr:

Man kann niemanden retten, der nicht gerettet werden will.

Und das ist schmerzhaft, weil man Menschen dabei zusehen muss, wie sie sich sonst selbst zerstören.

Doch mich zurückzuhalten, ist etwas dass ich schon immer lernen musste und ich denke, ich habe diese Lektion nun endlich gelernt.

Manchmal ist die Konfrontation mit einem Schmerz und den Konsequenzen der Veränderung so groß, dass ein Verdrängen das geringere Übel ist.

Man kann jemanden hier nur die Hand reichen und warten, ob er/sie diese ergreift und sich führen lässt.

Mit Druck und selbst den besten Absichten geht da gar nichts. Im Gegenteil, Druck kann dazu führen, dass sich jemand noch mehr verschließt.

Jeder hat das Recht glücklich zu sein.
Aber auch das Recht unglücklich zu sein, wenn er/sie das so möchte.

Trauma

Foto by Luis Villasmil

Es gab in dem einen Jahr drei Fälle, bei denen ich ein so tiefes Trauma gefunden habe, dass die Klientinnen viel Zeit brauchten, um dies im ersten Schritt überhaupt akzeptieren zu können. Teilweise gab es richtige Erinnerungslücken.

Wie findet man sowas:

Indem man die Reaktion auf Trigger testet: Indem man Menschen mit ihren Schmerzpunkten vorsichtig konfrontiert und die emotionale und physische Reaktion beobachtet, kann man sehen, was im Unterbewusstsein eines Menschen verborgen ist.

Das Faszinierende ist, dass sich die Betroffenen dessen selbst gar nicht so bewusst sind.

Trigger können Erinnerungen, Orte, Ereignisse und Mitmenschen sein. Alles mögliche.

Sollte in Zusammenhang mit dem jeweiligen Trigger ein negativ prägendes Ereignis verbunden sein, lassen sich körperliche Symptome beobachten, eine irrationale, emotionale Reaktion oder ein Verschließen, wie eine Art Lähmung oder Schockstarre. Das können diejenigen gar nicht kontrollieren, denn das sind tief verwurzelte, unbewusste Konditionierungen.

Ist jemand über Jahre dem Trigger ausgesetzt, wird der Mensch krank und zeigt Symptome, für die Ärzte oft keine Erklärung finden. Der Mensch kann erst genesen, wenn der Trigger entfernt wird. Solang der Trigger bleibt, kann der Mensch nicht heilen.

Das wäre sonst ungefähr so, als würde der Pavlovsche Hund dauerhaft der Glocke ausgesetzt sein und man würde sich wundern, warum der Speichelfluss nicht aufhört.

Das Hirn stoppt die Speichelproduktion eben erst, wenn der Trigger, durch den der Hund konditioniert wurde, indem Fall die Glocke, entfernt wird.

Wenn ein Mensch, der einmal psychisch oder physisch “missbraucht” wurde, weiter im Umfeld der Trigger lebt, wird er also krank bleiben. Er kann die körperliche Reaktion nicht aus freiem Willen heraus lenken, da sich diese regelrecht in sein Nervensystem eingebrannt hat.

Trauma bedeutet auch nicht zwingend irgendetwas Dramatisches. Traumatische Folgen kann alles haben, wodurch die Emotionen eines Menschen erzwungenermaßen verdrängt werden.

Wenn Schreie eines Babys ignoriert werden, kann bereits das zu einem prägenden, traumatischen Erlebnis führen, dass darüber bestimmen wird, wie dieser heranwachsende Mensch später Beziehungen führen wird. 


Teilweise können die Betroffenen bei der ersten Annäherung mit dem Thema Trauma nicht darüber reden, sondern tasten sich allmählich mit wenigen kleinen Textnachrichten Schritt für Schritt voran, bis sie überhaupt in der Lage sind die ersten Worte zu finden.

Ich habe nicht kommen sehen, dass dies Teil meiner Arbeit sein wird, doch ich verstehe, warum es so kommen musste.

Und das hat viel mit meiner eigenen Vergangenheit zu tun.

Ich musste im vergangenen Jahr auch für mich erschreckenderweise feststellen, dass ich diese Arbeit nur machen kann, weil ich früh lernen musste, die Psyche eines Menschen zu lesen, Verhalten zu antizipieren, um selbst sicher zu sein.

Erschreckend war dies deswegen, weil ich erkennen musste, dass ich mit meiner Arbeit meine eigene Vergangenheit unbewusst wiederhole.

Denn die Fähigkeit, genau zu fühlen, was ein anderer Mensch fühlt, selbst wenn er/sie sich dessen selbst nicht bewusst ist, ist Fluch und Segen zugleich.

Ich kann damit vielen Menschen helfen, aber gebe damit auch stets ein Teil von mir und das darf nicht passieren.

Das Abgrenzen ist etwas, dass ich noch lernen muss. Dies war eine weitere Erkenntnis und Aufgabe fürs nächste Jahr.

Doch wie so oft, gibt es kein Ganz oder Gar nicht, denn würde ich mich völlig abschotten, könnte ich all diese komplizierten Fälle nicht lösen, an denen bereits Ärzte und Therapeuten gescheitert sind.

Bedürftigkeit vs. Liebe

Foto by Laura Ockel

Eine weitere Erkenntnis infolge dessen war nämlich, dass Menschen, die sich nicht selbst helfen können, stets andere brauchen und ihre Bedürftigkeit selbst nicht reflektieren können. In der Fitnessblase, stößt man zwangsläufig unentwegt auf diese Fälle.

Daher sehen wir gerade in der Fitnessszene eine hohe Prävalenz an narzisstischen Persönlichkeitsstörungen. Wer seinen eigenen Selbstwert nicht stabilisieren kann, braucht eben stets andere dazu. Hier werden oft Grenzen überschritten. Das Problem hierbei ist, dass diejenigen dies nur schwer selbst erkennen können, da sie so von ihren eigenen Problemen eingenommen sind, dass sie nicht mehr in der Lage sind, die Bedürfnisse anderer zu sehen, denn in ihrer Welt, dreht sich alles um sie.

Dies ist auch die Beobachtung, die die Therapeutin Bärbel Wardetzki in ihrem Buch “Weiblicher Narzissmus” nach langjähriger Arbeit mit essgestörten Frauen beschrieben hat. 

Dies ist eine weitere Erkenntnis des Jahres:

Menschen, die ein geringes Selbstwertgefühl haben, neigen dazu, die Bedürfnisse und Grenzen anderer zu missachten und ggf. manipulativ zu werden, da ihr Selbstwert von der Meinung anderer abhängig ist.

Sie tun dies oft unbewusst mit dem Ziel, das, was sie sich selbst nicht geben können, von anderen zu bekommen.

Im Grunde ist es paradox, denn gerade Menschen mit geringem Selbstwertgefühl gehen gerade aufgrund ihres geringen Selbstwertgefühls davon aus, sich gegenüber anderen zurück zunehmen.

Tatsächlich passiert jedoch das Gegenteil. Gerade weil sie so ein geringes Selbstwertgefühl haben und davon ausgehen, sich zurückzunehmen, werden sie selbstbewusst genug, viel von anderen zu brauchen und fordern. Wenn sie es nicht bekommen, geraten sie in eine emotionale Schieflage, die sie selbst nicht stabilisieren können, weil sie gelernt haben, dies über andere zu tun.

Aus diesem Paradox folgt ein weiteres:


Diese Menschen neigen besonders dazu, in toxische Beziehungen zu rutschen. Denn dieses Verhaltensmuster führt zwangsläufig in eine Coabhängigkeit. Jemand der stets etwas von jemand anderen braucht, um sich gut zu fühlen, wird sich zu einem Menschen hingezogen fühlen, der es braucht, dass man ihn braucht.

So etwas geht nicht lange gut, denn auch dies ist nur eine Symptombetäubung. Das Problem der mangelnden Selbstwertstabilisierung bleibt bestehen.

Wenn die rosarote Brille verschwunden ist, zeigt sich der wahre Charakter der Zweckbeziehung: Beide Partner fangen an, sich auszusaugen und aneinander kaputt zu gehen. 

Um den Druck durch das emotionale Auf und Ab zu katalysieren, rutschen diese Menschen oft in andere Kompensationsmechanismen, oft in Form von Suchtverhalten. Bei Frauen oft Essstörungen und einer besessenen Arbeit an ihrem Körper und Neid gegenüber anderen Frauen, denn mehr für andere, bedeutet implizit automatisch weniger für sie.

Dass dem nicht so ist, müssen sie erst mühselig lernen, indem ihnen bewusst wird, dass die Welt nicht untergeht, wenn sie nicht jedem gefallen oder es jedem recht machen.

Die, mit dem ganzen emotionalem Beziehungschaos verbundene starke emotionale Regung wird dann mit Liebe verwechselt. Doch das ist keine Liebe. Dies ist lediglich Gewohnheit.

Ich denke, dadurch habe ich auch so langsam verstanden, was es für eine gesunde Beziehung braucht.

Das Selbstbild eines Partners muss mit dem Bild, dass der andere Partner von dem-/derjenigen hat, übereinstimmen. Oder zumindest, sollte beiden Partnern bewusst sein, dass daran gearbeitet werden muss, sofern hier noch eine Diskrepanz besteht.

Ich habe beobachtet, dass Differenzen in Selbst- und Fremdbild sonst stets zu Problemen und meist toxischen Beziehungen führen. Das merken die meisten aber gar nicht und vegetieren in ihren Zweckbeziehungen dahin und spüren, dass irgendwie immer etwas “fehlt”.

Social Media vs. Anna

Foto by Thought Catalog
Foto by Thought Catalog

Nun zu dem Teil, der mich persönlich betrifft.

Eigentlich wollte ich auf ZHENA lediglich Informationen für Frauen veröffentlichen, die ihnen helfen auf eine “gesunde” Art körperlich und geistig “fit” zu werden.

Tja, das funktioniert im Social Media Zeitalter aber nicht so einfach.

Ich musste im vergangenen Jahr lernen zu akzeptieren, dass ich nicht drum herum komme, mich als Person mit ins Spiel zu bringen.

D.h. es macht einen enormen Unterschied, ob eine Information “anonym” oder zumindest nüchtern veröffentlicht wird oder ob eine Person diese Information vermittelt.

Wenn ich als Person mehr in Erscheinung trete oder besser gesagt, wenn die Menschen eine Person mit einer Message verbinden, wird diese

1. mit höherer Wahrscheinlichkeit und 
2. auf andere Art und Weise wahrgenommen und 
3. “brennt” sich auch besser ins Gedächtnis der Menschen ein.

Wirklich angenehm ist mir das nicht, da ich ein eher zurückgezogener Mensch bin und eigentlich nur Texte veröffentlichen wollte. 

Also habe ich versucht einen Kompromiss zu finden und der ist mir zumindest so gut gelungen, dass ich damit leben kann und nicht das Gefühl habe, mich irgendwie verbiegen zu müssen.

Dennoch habe ich auch etwas lernen müssen, dass ich so nicht habe kommen sehen:

Man wird zu einer Art Objekt für Menschen, eine Art Projektionsfläche und wird nicht als der Mensch wahrgenommen, der man ist, egal wie authentisch man bleibt.

Das geht natürlich auch nicht anders, ganz einfach, weil Menschen über Instagram nur gefilterte Ausschnitte von einem wahrnehmen und diese dann unbewusst, im Kontext ihrer eigenen Welt, ihren Erfahrungen und ihren Wertesystemen etc. interpretieren.

Ich habe gemerkt, dass jeder ein anderes Bild von mir im Kopf hat, dass es nun viele Anna Interpretationen gibt, auf die ich keinen Einfluss habe.

Das wurde mir umso bewusster weil, 2019 so viel in meinem Privatleben passiert ist, über das ich öffentlich gar nicht gesprochen habe. 
Seitdem bin ich selbst viel vorsichtiger mit meiner “Meinung” zu oder über jemand anderen. Man sieht stets nur ein Bruchteil dessen, wer der Mensch wirklich ist und von dem, was man sieht, weiß man nicht einmal, wie “echt” dies wirklich ist. Was auch immer, ich zu sehen bekomme, wird dann noch einmal durch meine eigenen Filter verzerrt. Am Ende sehe ich ein Bild von jemanden, das nur in meinem Kopf existiert und in dessen Kontext ich alles weitere, was ich von der Person sehe, interpretiere.

Von mir selbst war ich in der Hinsicht überrascht, dass es mich dabei nicht beschäftigt hat, was konkret dabei herauskommt. D.h. was man über mich denkt und ob das gut oder schlecht ist.

Was mich dagegen beschäftigt hat ist ein anderes Paradox: Je mehr Menschen sich für einen interessieren oder je interessanter man wird, desto einsamer fühlt man sich, weil man spürt, dass Menschen, das sehen, was sie sehen wollen und dass das nichts mit dem Menschen zu tun hat, der man ist.

Je öffentlicher man wird, desto stärker wird man objektifiziert und desto weniger wird man mit seinen eigenen menschlichen Bedürfnissen gesehen. Fast als wäre man eine Hülle ohne Innenleben.

Zu lernen, dass ich für die Menschen eine “Funktion” erfülle, ist etwas, an das ich mich noch gewöhnen muss, von dem ich aber weiß, dass ich es nicht vermeiden kann. Als gegen Ende des Jahres immer öfters Kommentare in die Richtung kamen, dass ich ein Influencer sei, dachte ich nur, wie verrückt die Welt ist.

Ich bin gar kein Influencer und wollte das nie sein. Aber nun stecke ich wohl in dieser Schublade. Ich würde lieber in der Schublade für Autorinnen oder sowas stecken. Aber Autorin kann man heutzutage wohl nicht mehr sein, ohne auch als Influencer wahrgenommen zu werden.

Wobei es eigentlich gar keine genaue Berufsbezeichnung für das, was ich mache gibt. Weil ich irgendwie vieles mache. Viele Funktionen, viele Themen und viel Vieles eben.

Und über diese Entwicklung bin ich an sich sehr froh. Denn ein Grund für die Entscheidung zur Selbstständigkeit war, dass ich gemerkt habe, dass ich frei sein will und muss, weil ich eingehe, wenn ich mich nicht entwickeln, frei denken und dazu lernen darf.

So beschränken sich die Themen auf ZHENA nach nur einem Jahr nicht mehr auf Fitness, sondern umfassen alles, was Menschen in ihrem Leben beschäftigt.

Und das ist gut so!

Denn genau diese Vielseitigkeit, hat dazu geführt, dass sich innerhalb eines Jahres, das Leben von vielen Menschen verbessern konnte.

Und das Beste: Zwei Frauen werden 2020 Mamas, die dachten, dass sie nie Mamas werden können.  

Foto by Awmleer