Fitness-Starterpack für Frauen – was du als Frau brauchst, wenn du fit sein willst

Als Fitnessfrau hat man es nicht leicht, denn man muss ganz viele Erwartungen erfüllen, damit man auch als fitte Frau wahrgenommen wird. Das Dumme dabei ist, dass diese Erwartungen ein klitzekleines bisschen gegen die Natur des weiblichen Körpers gehen.

Aber gut, so sind Menschen nun mal. Sie mögen die Realität nicht besonders, weil diese oft keinen Spaß macht und eher hässlich ist. Also sucht man sich  das, was Spaß macht und schön aussieht. Menschen sind auch so gut wie immer unzufrieden: Sie finden doof oder zumindest unbedeutend, was sie schon haben, und viel besser und wichtiger, was sie (noch) nicht haben.

So ist das auch in puncto Aussehen.

Wenn man als Fitnessfrau in dem Business Fuß fassen will, muss man sehr streng mit sich sein. Vor allem muss man es irgendwie schaffen, dem Körper beizubringen, dass er anders funktionieren soll, als er möchte, damit er auch so aussehen kann, wie er soll.

Eine fitte Frau soll heutzutage zum Beispiel Folgendes haben:

  • Einen großen, runden Po ohne Cellulite,
  • große, straffe Brüste,
  • schlanke Beine (natürlich auch ohne Cellulite),
  • Ärmchen, mit sowas wie Muskeln, aber bloß nicht zu viel
  • zumindest angedeutetes Sixpack, aber auch nicht zu viel
  • langes, dickes, gesundes Haar,
  • Püppchengesicht
  • immer gute Laune.
nejronphoto/stock.adobe.com
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Ok, das macht Laune. Sehen wir uns den Bauplan mal genauer an: Po und Brust sind eigentlich locker machbar, dazu brauche ich nur viel essen und muss fett werden. Essen kann ich. Das ist zumindest eines der Dinge, die ich sehr gut kann. Das Problem ist, dass das Fett dann nicht schwabbeln und sich auf gar keinen Fall auch am Bauch absetzten darf. Da darf kein Fett hin, weil sonst das Sixpack futsch ist. Fett am Po macht gleich Cellulite. Das wäre nicht schön. Also Fett bitte immer und am liebsten nur in die Brüste.

Das wissen nur leider meine Gene nicht. Die haben irgendwie einen anderen Bauplan abgespeichert. Wenn Po und Brüste so aussehen, wie sie aussehen sollen, ist das Sixpack weg. Ist das Sixpack da, sind Po und Brüste weg. Was ich auch mache, irgendwas ist immer  falsch.

Ok, also mit dem Fett wird das so nichts. Aber so macht man das im Fitness auch nicht. Da ist Fett nämlich doof. Man will ja Muckis. Muckis am Po sind machbar. An der Brust wird das aber schwierig. Zumindest sieht das dann nicht so aus, wie es aussehen soll. Aber deswegen braucht man ja als Fitnessfrau auch Implantate. Hat eh jede, ist also schon nicht mehr schlimm, wenn man schummelt. Dann kann man auch gleich ein Youtube Video dazu  machen, indem man der Öffentlichkeit erklärt, dass man das nur für sich gemacht hat.

Hätten wir also Muckis am Po und Plastik in der Brust. Wenn ich jetzt auch nichts mehr esse, habe ich auch noch das Sixpack. Der Körper stimmt also endlich. Dies ist der Zeitpunkt, an dem man als fitte Frau nur noch im Sport-BH und Booty-Leggins trainieren geht, um zu zeigen, dass man ein guter Fang ist..

Das Problem ist nun, dass jetzt meine Hormone da nicht lange mitspielen. Wenn ich nichts mehr esse, damit das Sixpack bleibt, streiken die und machen alles kaputt, weil die Schilddrüse absäuft. Dann fallen Haare, Wimpern und Augenbrauen aus. Die Nägel werden auch spröde und die Laune geht eh in den Keller.

Alles schon probiert. Es könnte natürlich sein, dass nur ich solche Hormone habe und die Fitnessbarbies auf Instagram keine oder andere. Dafür kann ich aber nichts und kann das leider auch nicht ändern.

Aber macht ja nichts. Auch das können wir alles wieder ankleben und anmalen. Also besorgt sich Frau einfach Extensions, Wimpern (Neudeutsch “Lashes” genannt), Microblading für Augenbrauen und Lippen und künstliche Fingernägel. Es gibt bestimmt noch mehr, aber ich kenne mich da nicht so aus.

Damit hätten wir dann auch schon das Fitnessstarterpack für Fitnessbarbies.

Ich frage mich nur, wie Fitnessbarbies das alles bezahlen und timen. Ich habe schon Probleme mit normalen Nagellack. Wenn ich mal hochmotiviert bin und schöne Nägel haben will, sind die nach dem nächsten Training wieder hinüber. Ich pudere mich immer so mit Chalk ein und mache mit den Gewichten scheinbar komische Sachen, dass der Nagellack das nie überlebt. Künstliche Nägel würden mich komplett überfordern oder ich mich selbst aufspießen (Das schaffe ich wirklich #tollpatsch).

Meine Haare nerven mich auch beim Training. Die müssen aus dem Gesicht. Frisuren halten bei mir auch nicht. Wenn ich da noch so ein riesen Nest auf dem Kopf hätte, würde ich wahnsinnig werden. Vor allem muss ich die Haare ja auch öfter waschen, je mehr ich schwitze und trainiere. Dann müssen die erst trocknen und wieder in Form gebracht werden. Die Zeit habe ich gar nicht. Die Nerven auch nicht. Gut, ich könnte das Training ja auch lassen oder so trainieren, dass ich nicht schwitze. Find ich aber doof. Außerdem schrumpfen mir die Muckis am Po dann wieder, die ich als kompetente Fitnessfrau ja auch brauche.

Mit der schlechten Laune ist es aber nicht so wild, die sieht man ja nicht. Als Fitnessfrau braucht man ja nur auf den Fotos gut auszusehen und Weichzeichner und Filter gibt es ja auch noch. Außerdem hat man auch gleich wieder gute Laune, wenn einem ganz viele Follower schreiben, wie toll man aussieht. #goals

Ist also alles machbar. Man braucht nur viel Zeit und Geld zu investieren. Wichtig ist es auch, alles gut zu planen, damit der Schwindel nicht sofort auffliegt. Schließlich müssen Wimpern, Haare und Nägel immer wieder restauriert werden. Wenn beim Training plötzlich eine  Wimper schief hängt oder sich die Extensions irgendwo verfangen, wäre das etwas unangenehm. Das muss also gut getimed werden. Die Augenbrauen sind ja eintätowiert, das hält bombenfest.

Also auch das ist alles machbar. Worum soll man sich auch sonst kümmern?

Ich habe mich trotz Machbarkeit dazu entschlossen, vollkommen natural zu bleiben und mich meinem genetischen Schicksal zu fügen. Haare, Po, Brüste und der ganze Kram sind und bleiben so, wie es die Natur an mir vorgesehen hat, auch wenn ich nicht 100%ig einverstanden mit allem bin. Ich muss ehrlich sagen, dass mir alles andere auch einfach zu anstrengend ist und ich dann durcheinander komme. Ich mag es,  Zeit und Geld lieber in etwas zu investieren, das ich nicht restaurieren muss und das mir gute Laune macht. Das sind oft Sachen, die nichts mit meinem Aussehen zu tun haben.

Wenn ich die einmaligen Gesamtkosten überschlage, komme ich auf einen vierstelligen Betrag. Wenn ich dabei noch optimistisch bin, gehe ich von 5000€ aus. Die laufenden Restaurationskosten sind da also noch nicht mit drin. Wenn ich jetzt mal überlege, wie viele Bücher ich mir für das Geld kaufen könnte… Ich mag Bücher nämlich sehr, weil ich da unterhalten werde, ohne etwas sagen zu müssen. Bücher sind heutzutage ziemlich günstig, weil keiner mehr liest. Ein Buch bekomme ich für ca. 10-20€. Für die 5000€ könnte ich mir also 250-500 Bücher kaufen. Ok, die zu lesen, erfordert viel Zeit, aber wenn ich keine Fitnessbarbie bin, brauche ich auch kein 5-10 Stunden täglich auf Instagram, um meine Follower bei Laune zu halten. Die Zeit für den ganzen Restaurationsaufwand und in den Spiegel gucken fällt auch weg. Ein paar der Bücher würde ich also locker schaffen.

Da nicht mitzuspielen mag heutzutage schon ein rebellischer Akt sein. Doch irgendwie fühlt sich das für mich besser und gesünder an. Ich finde es auf Dauer doch sehr anstrengend, mich immer restaurieren zu lassen, zu hungern oder Plastik in und an meinem Körper zu haben. Vor allem frage ich mich immer, was die Fitnessbarbies denn dann noch machen wollen, wenn der körperliche Zerfall mit dem Älterwerden erst richtig losgeht. Ich finde es strategisch nicht so clever, schon mit Mitte 20 sein ganzes Pulver zu verschießen. Die Ironie an der ganzen Sache ist auch, dass Sinn und Zweck eigentlich u.a. darin besteht, jung und knackig auszusehen, doch irgendwie passiert dann immer das Gegenteil.

Eigentlich dachte ich immer, Fitness soll vor allem gesund sein, aber vielleicht habe ich da was falsch verstanden.

Foto by Tomasz Mikolajczyk