Wie man Berge versetzt…

Foto by Eunice Stahl
Foto by Eunice Stahl

Neujahrsvorsätze stehen gerade wieder hoch im Kurs.
Laut Statistik haben sich die Deutschen 2019 Folgendes vorgenommen:

https://de.statista.com/infografik/16460/gute-vorsaetze/
https://de.statista.com/infografik/16460/gute-vorsaetze/

Sieht man sich diese Ziele genauer an, ist ziemlich offensichtlich, warum Vorsätze immer wieder scheitern: Sie sind nicht prozess – sondern zielorientiert. Statt “Der Weg ist das Ziel” gilt “Das Ziel ist das Ziel”.

Unser Gehirn ist evolutionsbiologisch bedingt verdammt faul. Es ist nicht dazu konstruiert, dich glücklich zu machen. Vielmehr dazu, dein Überleben zu sichern und dafür zu sorgen, dass du dich fortpflanzt. Deswegen wollen wir ständig essen, rumgammeln und von Anderen schön und begehrenswert gefunden werden. So einfach ist das.

„Je mehr es dem Menschen um die Lust geht, umso mehr vergeht sie ihm auch schon. Je mehr er nach Glück jagt, umso mehr verjagt er es auch schon. In Wirklichkeit ist Lust nicht das Ziel unserer Strebungen, sondern die Folge ihrer Erfüllung.

Viktor Frankl
Foto by Ferdinand Stöhr
Foto by Ferdinand Stöhr

Das alles funktioniert am besten, wenn du so energieeffizient wie möglich durchs Leben gehst. Das heißt, du wirst immer dazu geneigt sein, zunächst das zu tun, was sich bequemer anfühlt. Das Problem kennt jeder. Man weiß, was richtig ist, tut es aber nicht. Dann geht es einem schlecht und man weiß, warum es einem schlecht geht, aber fühlt sich trotzdem außerstande, das zu ändern. Ein Teufelskreis.

Statt abnehmen und trainieren, wirst du essen und schlafen. Statt ein Buch zu lesen, wirst du bei Netflix & chill wegdösen. Statt die Selleriestange zu knabbern, wirst du über die Schokolade herfallen.

Der freie Wille

Das alles ist nichts weiter als Gehirnchemie. Dein rationales und dein emotionales Zentrum im Gehirn streiten sich ständig, wer der Stärkere ist. Oftmals gewinnt der emotionale Teil, weil dieser mit deinem Unterbewusstsein verbunden ist, das jeder Entscheidung vorgelagert ist.

Das heißt, bevor eine Entscheidung überhaupt in den Teil deines Gehirns gelangt, die dich dazu veranlasst das Richtige zu tun, auch wenn es das Schwierigere ist, hat sie bereits dein Unterbewusstsein passiert. Wenn im Unterbewusstsein also was nicht stimmt, hat dein Bewusstsein keine Chance mehr.

Zu glauben, dass du die Kontrolle über dein Gehirn hast, ist also eine Illusion. Teile deines Gehirns treffen Entscheidungen, noch bevor du selbst eine bewusste Entscheidung treffen kannst.

Aushalten ist Anstrengend

Das zu tun, was zunächst angenehmer ist, verspricht deinem Gehirn ein schnelles “Alles ist gut” in Form eines Dopaminspikes. Deswegen finden wir Menschen alles viel besser, was wir jetzt sofort bekommen, statt irgendwann, weil mit dem Später auch noch eine kognitive Anstrengung verbunden ist. Denn du musst dich die ganze Zeit disziplinieren, das objektiv Richtige zu tun.

Je mehr kognitive Anstrengung du jedoch aufbringen musst, desto größer ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass du irgendwann aufgibst, denn dies kostet dich Energie und führt dazu, dass das Dopamin in den Keller geht.

Dies ist unzählige Male mit dem Marshmallow Experiment nachgewiesen worden:

Die Energiereserve deines Gehirns, das Richtige zu tun, auch wenn es das Schwierigere ist, ist begrenzt. Das heißt, wenn du den ganzen Tag Stress auf Arbeit hast, ist das rationale Zentrum deines Gehirns so müde und deine Dopaminlevel so niedrig, dass dein Gehirn keinen Bock mehr hat, weiter vernünftig zu sein. Deswegen fallen alle gestressten Menschen abends über Schoki & Co her.

Bist du nun ein Opfer deiner Gehirnchemie?
Nicht ganz. Es besteht Hoffnung, das Problem taktisch zu lösen.

Die Wahrscheinlichkeit, dass du dein Ziel erreichst, steigt, wenn du es dir so einfach und konkret wie möglich machst und dich stets auf den nächsten Schritt konzentrierst.

Das heißt, statt “Ich will Abnehmen” > “Ich esse zu jeder Mahlzeit eine Portion Eiweiß”. Das wiederholst du so lang, bis es ganz leicht für dich ist.

Dann erst kommt der nächste Schritt. Zum Beispiel: “Ich trinke keine Kalorien.”. Das wiederholst du wieder so lang, bis du nicht mehr darüber nachdenkst. Dann der nächste Schritt usw..

Statt einem undefinierten Ziel, schaffst du dir so einen konkreten “action plan”, den du nach und nach erweitern kannst, wenn die ersten Schritte gemacht sind.

Statt dem Mount Everest vor dir, konzentrierst du dich zunächst einfach auf den nächsten Schritt. Jeder kleine Schritt ist ein Teilziel, das dir einen kleinen Dopaminkick beschert. Dies ist auch die simple Taktik, mit der auch ich irgendwann Berge und Marathons gelaufen bin.

Ich habe mich nie auf die gesamte Strecke konzentriert. Statt 42,195km habe ich mir 4x10km vorgestellt, denn 10km war mein typischer “Regenerationslauf”, den ich ohne Anstrengung laufen konnte.

Die restlichen 2.195 km musste ich dann einfach nur überleben, was machbar sein sollte, wenn man die 40km davor auch überlebt hat.

Foto by lovely shots
Foto by lovely shots

Bergsteiger machen das übrigens genauso: Sie bauen mehrere Camps entlang der Aufstiegsroute und spazieren das Ganze dann ständig hoch und runter.

Das heißt, statt dem Gipfel in einem Zug zu besteigen, ist das Basiscamp das erste Ziel, auf dem sie einige Tage verbringen um sich zu akklimatisieren. Von dort steigen sie täglich zum nächsten Lager etwas weiter oben auf, kehren aber zunächst immer wieder ins Basislager zurück. Das machen sie ein paar Mal, bis sich der Körper an die Höhe angepasst hat. Dann ist der Zeitpunkt gekommen, auf dem nächsthöheren Camp zu pausieren. Hier machen sie das gleiche Spiel: täglich hoch und wieder runter, bis sie fit genug für die nächsthöhere Station sind. Die Anzahl dieser strategischen Punkte werden je nach Höhe und Schwierigkeitsgrad der Route festgelegt.

Irgendwann erreichen sie dann die letzte Station vor dem Gipfel. Den quälen sie sich dann rauf, freuen und feiern sich, machen ein paar Selfies, bis es schließlich wieder runter geht. So erreicht man also selbst extreme körperliche Leistungen. Statt mit dem Kopf durch die Wand, Babysteps und ein bisschen chillen.

Du siehst also, dass es nicht darauf ankommt, sich besonders zu disziplinieren, über #bodygoal Fotos diverser Fitnessbarbies zu motivieren oder sonst was. Sondern ganz im Gegenteil, es sich so einfach wie möglich zu machen.

Zerleg dein Ziel in kleine Zwischenziele bzw. Schritte. Konzentriere dich dann immer nur auf den nächsten Schritt und blicke nicht auf die gesamte Strecke, die noch vor dir liegt. Dann setzt du einfach nur einen Schritt vor den anderen. Irgendwann bist du die gesamte Strecke gelaufen.
Das ist das, was wirklich wichtig ist…